Fragen an Petra Eisenburger

Liebe Petra, du hast mit Concert Connections 2015 deine eigene Konzertagentur gegründet und bringst hochkarätige Künstlerinnen und Künstler aus Irland, Schottland, England und Kanada herüber.

Wie kam es dazu?

Ich hatte in 2013 beim großartigen interkeltischen Festival in Lorient (Bretagne) die französische Band Doolin‘ kennen und lieben gelernt und wollte diese Band unbedingt in Deutschland sehen. Damals kontaktierte ich die „großen“ Konzertagenturen, um herauszufinden, ob man Interesse hätte, Deutschland-Tourneen für die Band zu organisieren, konnte aber nichts und niemanden bewegen – eine französische Band, die irische Musik spielt, nein, um Gottes willen. Wir können nicht einmal mehr „richtige“ irische Bands aufnehmen – das war die allgemeine Reaktion (nur als Anmerkung: Doolin‘ spielt übrigens mittlerweile auf den größten Festivals in den USA.) Also entschied ich mich, vielen Unkenrufen zum Trotz – nach dem Motto, lass das mal lieber die Profis machen, davon verstehst Du nichts – für Doolin‘ ein paar Auftritte zu organisieren. In 2015 gründete ich dann meine Booking-Agentur und meldete ein Gewerbe an – also entstand eigentlich alles aus einem Freundschaftsdienst und einer Absage besagter Folkagenturen.   

Wie hätte der Herbst 2020 für dich normalerweise ausgesehen?

Normalerweise hätten im Herbst 2020 vier seit langem geplante Tourneen mit Bands aus Kanada und Irland stattfinden sollen, was natürlich angesichts der Umstände nicht möglich war. Normalerweise hätte ich auch mitten in den Vorbereitungen für meine Young Scots Trad Awards Winner-Tour gesteckt, die jedes Jahr vor oder nach Aschermittwoch stattfindet und nun auf den Juni 2021 verschoben wurde.
Und natürlich hätte ich mich mit den üblichen Booking-Aktivitäten für 2021 und 2022 befasst, wäre möglicherweise auch zur Manchester Folk Expo gefahren.

Welche Auswirkungen hatten die Corona-Beschränkungen für dich?

Die offensichtlichen Auswirkungen waren Veranstaltungsverbote und die daraus resultierenden Absagen und Verlegungen von Tourneen. Im Klartext, viel Arbeit für Nichts und noch mehr unbezahlte Arbeit angesichts der Verlegungen. Dies sind erst einmal die organisatorischen Auswirkungen gewesen. Die psychischen Auswirkungen sind ebenfalls nicht zu vernachlässigen – von depressiver Lethargie bis Auf-Kissen-Einschlagen ist alles dabei gewesen. Ich fand es sehr schwierig, angesichts der Ungewissheit und Unsicherheit überhaupt einen vernünftigen Ansatz zu finden. Und Veranstaltern Ersatztermine zu empfehlen in dem Wissen, dass man gar nicht abschätzen kann, was wann wieder funktioniert – und das mit einem Lächeln in der Telefonstimme, das man überhaupt nicht empfindet.
Und zu guter Letzt gab es – und gibt es – die finanziellen Auswirkungen. 2020 wäre für mich persönlich ein sehr erfolgreiches Jahr geworden – ich hatte sowohl im Frühjahr als auch im Herbst gute Tourneen geplant, viel Arbeit investiert, und auf einmal stand ich vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Ich war – zusätzlich zu meinen Booking-Arbeiten für die nächsten Jahre und zur Verlegung von Konzertterminen – gezwungen, nach einer alternativen Verdienstmöglichkeit zu suchen. Zugutekam mir dabei, dass ich „vor Concert Connections“ Vollzeit als freiberufliche Übersetzerin gearbeitet habe, diese Tätigkeit aber mit dem zunehmenden Booking nur noch zu ca. 20 – 30 % ausgeübt habe; im letzten Quartal 2019 und im ersten Quartal 2020 eigentlich gar nicht mehr. Es hat einige Überzeugungsarbeit bei meinen damaligen Kunden gekostet, bis ich die ersten Aufträge bekam, genaugenommen war es erst im November 2020 so weit. Obwohl ich – ganz ehrlich gesagt – nicht gerne als Übersetzerin (vorwiegend Rechtstexte) arbeite, bin ich bzw. sind wir als fünfköpfige Familie froh, dass ich diese Alternative habe. Also möchte ich erst gar nicht auf diesem hohen Niveau jammern, aber zu schaffen macht es mir halt doch, denn es ist etwas völlig anderes, stundenlang hoch konzentriert auf den Bildschirm zu starren und verschachtelte Sätze zu übersetzen, als Tourneen zu planen und soziale Kontakte im kulturellen Umfeld zu pflegen. Ich weiß schon, warum ich meine Booking-Tätigkeit mag…

Wie hat es mit den von der Politik versprochenen finanziellen Hilfen für Solo-Selbstständige geklappt?

Welche finanziellen Hilfen? Ich bin durch alle Raster gefallen – nachweisliche Umsatzausfälle bzw. Tourneeabsagen interessieren hier niemanden, vor allem, wenn sie im Zusammenhang mit ausländischen Künstlern stehen…. Ich arbeite vom Home Office, habe 2018 von Rücklagen unseren „Tourvan“ gekauft. Hätte ich den Van finanziert oder geleast, dann wären die Raten im Rahmen der Corona-Hilfe bezahlt worden… also leider dumm gelaufen. Unternehmerlohn bekomme ich nicht. Die Grundsicherung werde und kann ich sicherlich nicht beantragen – wir finanzieren derzeit ein Haus, in dem wir uns wohlfühlen und das wir auch gerne behalten möchten.
Auch die Novemberhilfe/Dezemberhilfe greift bei mir nicht, da ich mit Concert Connections nicht 80 % meiner Umsätze, sondern „nur“ 75% erzielt habe – ein Witz, wenn es nicht so traurig wäre.

Du hast dir ja einiges einfallen lassen, um die Auswirkungen der Reise- und Auftrittsverbote etwas abzumildern.

folkfest

Stimmt – im Mai/Juni habe ich ein „Spendenvideo“ mit allen Künstlern, bei denen eine Tourneeabsage bereits feststand, produziert, mit 3 Clips von jedem Künstler bzw. jeder Band und einem Spendenaufruf zu Beginn des Videos. Ein paar der Künstler und ich haben dann eine Video-Premiere auf YouTube durchgeführt.
Und als dann Ende Oktober die Absage der Dingle FolkFest – Tournee erforderlich war, und die Musiker mir eine Woche vor dem geplanten Beginn der Tournee eine Kiste mit 500 EPs geschickt hatten, hatte ich die Idee,
diese EP zu verkaufen, um so wenigstens einen Teil der Reisekosten und der Produktionskosten der EP wettzumachen. Bis dato haben wir 80 EPs verkauft – den Rest werde ich wohl bis zum Herbst 2022, wenn die Musiker der Dingle FolkFest Tour nach Deutschland kommen, hierbehalten…

Wie die Musiker*innen auch hast du jetzt praktisch ein Arbeitsverbot. Mit welchen  Gedanken schaust du in die Zukunft?

Ich habe zunächst einmal die Hoffnung, dass sich die Lage irgendwann so normalisiert, dass Kultur und Live-Veranstaltungen wieder ohne größere Einschränkungen bzw. Auflagen möglich sein werden. Und dass die Menschen so ausgehungert nach Live-Veranstaltungen sind, dass diese Veranstaltungen auch gut besucht werden. Leise Zweifel bleiben, vor allem, wenn man immer wieder daran erinnert wird, dass digitale Veranstaltungen die „Zukunft“ sein werden. Es wird viel zu wenig darauf hingewiesen, wie wichtig das „Miteinander“ und die soziale Begegnung bei realen Veranstaltungen sind; das Gefühl der Solidarität, wenn man gemeinsam mit vielen anderen ein schönes Konzert besucht, der Applaus, die Atmosphäre, die Wertschätzung für die Künstler auf der Bühne. Digital lässt sich das nicht im Entferntesten realisieren, auch wenn das digitale Erlebnis zur Zeit mehr oder weniger die einzige Möglichkeit für Musiker ist, Geld zu verdienen. Digitale Konzerte sind für mich wie Shopping bei einer Supermarktkette im Vergleich zum Einkauf im kleinen lokalen Supermarkt. Ganz davon abgesehen hat die Digitalität natürlich auch Auswirkungen auf mich – Konzerte sind global verfügbar und ich als Bookerin bin überflüssig. Dies trifft im Übrigen auch auf alle diejenigen zu, die bei Live-Veranstaltungen mitwirken.

Ich hoffe, dass die Kulturszene nicht zu sehr ausgedünnt wird; dass Künstler nicht dazu gezwungen werden, ihren Traum, ihre „Berufung“ aufzugeben; ich hoffe auch, dass der Kultur von staatlicher und gesellschaftlicher Seite die Bedeutung zugemessen wird, die ihr zusteht und entsprechend unterstützt und gefördert wird. Es kann nicht sein, dass Milliarden in bestimmte Unternehmen der Reisebranche gepumpt werden, während die Kulturlandschaft zugrunde geht.
Was meine Booking-Arbeit betrifft, so werde ich definitiv weitermachen, wenn man mich lässt. Allerdings werde ich als Sicherheitsnetz auch meine Übersetzertätigkeit „nebenher laufen lassen“. Und Gemüse im Garten anbauen, nur für den Fall der Fälle.   

Sicher hast du viele Kontakte. Erlebst du persönliche Solidarität in der Folkszene?

Ja, zum Teil schon. Zu Anfang der Pandemie haben sich mehrere führende Booking-Agenturen zusammengeschlossen und die „AktionTicketBehalten“ ins Leben gerufen Ansonsten gab es natürlich auch den ein oder anderen persönlichen Austausch.

Vielen Dank, liebe Petra. Wir wünschen dir alles Gute!

P.S. Petra plant eine hochkarätige Konzertreihe in Aurich, die am 6.2.2021 starten soll. Mehr Infos über geplante Auftritte unter https://www.concert-connections.com/

(küc)