Ein Buch, das uns alle angeht.- Klaus Farin (Hrsg): Heimat, Hirnkost,

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Klaus Farin

Ein Buch, das uns alle angeht

Zugleich die Sorte Buch, von der man denkt, sowas gebe es heute nicht mehr. Der Frauenanteil bei den Beiträgen ist geringer als der im deutschen Bundestag, und das ist wirklich eine Leistung. Wie immer, wenn viele Männer versammelt sind, gibt es eine Menge Mansplaining.

Und so wird uns erklärt, Johnny Cash habe nur ein Lied auf Deutsch eingespielt (falsch! Ohne zu googeln kann ich zwei weitere nennen!), und – gern mit beeindruckenden Fremdwörtern – die bloße Tatsache, eine Heimat zu haben oder sich einer Region zugehörig zu fühlen, sei ein faschistoides Verbrechen, oder aber, es sei absolut notwendig für den Menschen und an sich absolut normal.

Problematisch werde es erst, wenn die Heimaten anderer Leute abgewertet würden.

Dass es in anderen Ländern das Wort „Heimat“ nicht gebe, wird behauptet, als wäre das eine große Erkenntnis. Klar gibt es das nicht, da heißt es „tuath“ oder „hjemstad“, und die Heimatliebenden/Hassenden benehmen sich genau wie hier, was also beweist es, dass in anderen Ländern andere Sprachen gesprochen werden? Schließlich gibt es viele Schilderungen darüber, wie die Beiträger mit ihrer Heimat umgehen. Oder ihren Heimaten, es ist durchaus möglich, mehrere zu haben, erklären einige. Einigkeit gibt es fast nie. Allein das in der DDR so verbreitete Lied „Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer“ wird von einem vehement abgelehnt, vom anderen heiß geliebt.

In der Heimatforschung gibt es eine alte Arbeitshypothese, Heimat sei der Bereich, wo man die Namen der Orte im Dialekt denkt. Aber dass es diesen Wissenschaftszweig überhaupt gibt, hat nur einer im Buch mitgekriegt, und Dialekte spielen auch eine überraschend geringe Rolle. Einmal heißt es: „Einem Kurden kann ich so durchaus näher sein als einem Rheinländer, einem Plattsnacker aus Leer näher als einem Machdeburjer.“ Ach was, denkt die lesende Rheinländerin, unser Platt ist dem Herrn wohl nit joot jenuch? Ganz zu Anfang schreibt der Hausgeber, dass „im Rheinland sich vorwiegend Angehörige der gehobenen Mittelschichten (zur Heimatpflege) zusammenfinden“.

Du hast doch keine Ahnung, du Kohlenpottheini, denkt die lesende Rheinländerin. Zwei Mitwirkende kommen aus dem Ruhrgebiet, keiner aus dem Rheinland, was an sich nichts heißen muss, denn viele Regionen sind nicht vertreten. Dennoch, dann noch zu lesen „Ich kann weder von Thüringen schwärmen noch vom Rheinland“, erweckt die Trotzreaktion: „Musst du ja auch nicht.“

Insofern ist es ein hochinteressantes Buch, das vor allem zeigt, wie schwierig das Thema ist, und wie leicht die Heimatliebenden über andrerleuts Heimat Unsinn reden oder den Eindruck erwecken, diese sei jedenfalls nicht so gut wie ihre. Es sind auch Texte im Buch, die eine Vertonung verdient hätten, und jedenfalls, falls jemand Lieder zum Thema schreiben möchte, dieses Buch ist eine reiche Fundgrube über Anregungen.

Klaus Farin (Hrsg): Heimat, Hirnkost, 278  S., 16,–. www.hirnkost.de (GH)