Bora Chung: Der Fluch des Hasen, Erzählungen, CulturBooks, 251 S., 24,–, übersetzt von Ki-Hyang Lee, http://www.culturbooks.de  (GH)

Fluch_des_H.jpg.   Der Fluch des Hasen

Ein ganz anderes Märchenbuch

Wenn die tote Schwester des Nachts umgeht und nach ihrem Kind fragt, dann ist der Gedanke an die Brüder Grimm und „Brüderchen und Schwesterchen“ nicht weit – aber bei der koreanischen Autorin Bora Chung geht es hoch modern zu, und deshalb fragt die Schwester nicht „Was macht mein Kind, was macht mein Reh?“

Was der Bruder derweil treibt? Wird nicht verraten. Bora Chung bedient sich munter am internationalen Märchen- und Balladenschatz, immer wieder finden wir Vertrautes, und immer wieder fallen wir aus allen Wolken, weil es doch ganz anders ausgeht als erwartet.

Happy End und glücklich bis ans Ende ihre Tage? Eher nicht, eher Erlkönig, „in seinen Armen, das Kind ist tot.“

Aber oft ist auch die Frage, was denn überhaupt ein märchenhaft schöner Abschluss wäre. Ist es wirklich nur gut für das Dorf, von der Bestie befreit zu werden, der sie alle sieben Jahre ein Kind opfern müssen? Ist der Prinzessin tatsächlich damit gedient, den geliebten Prinzen unter unendlichen Anstrengungen von seinem Fluch zu befreien? Hat sich da schon mal irgendwer Gedanken gemacht?

Bora Chung tut es, und ihre Antworten sind umwerfend. Und es kann gewaltig modern werden, bei allen Balladenelementen – denn ist die unglücklich liebende Künstliche Intelligenz auf ihre Weise nicht auch eine Art verwunschener Märchenprinz? Und der Hase aus dem Titel? Der ist kein Prinz, aber niedlich ist er auch nicht, und wer immer schon einmal etwas über die noble Art des Verfluchens erfahren wollte, wird bei Bora Chung unschätzbares Wissen erwerben.

Bora Chung: Der Fluch des Hasen, Erzählungen, CulturBooks, 251 S., 24,–, übersetzt von Ki-Hyang Lee, http://www.culturbooks.de  (GH)