Mathias Schüller – Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle – Folkrock – Liedermacher
„Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle“
– Ein toller Titel ! – Der Liedermacher Mathias Schüller spielt alles selber. Es könnte aber auch eine ganze Band sein, die hier musiziert.
Der Titel der CD ist etwas irreführend, denn so leicht wie ein Libellenflug ist die Musik hier nicht gerade, eher mit ein bisschen Heavy-Metal-Touch, überwiegend mit akustischen Gitarren gespielt, der Gesang, weitgehend auf Deutsch mit ein paar englischen und französischen Zitaten, klingt nach Liedermacher.
In den Texten es geht um Freaks aller Art, welche die es sind, ob sie es nun wissen oder nicht, ob sie es akzeptieren oder verdrängen, ob sie reich oder arm sind. Seinen Stil hat er noch nicht gefunden, denn Musik und Texte scheinen noch nicht so ganz zu harmonieren.
Erstaunlich vielfältig sind jedoch die Stücke geworden, beeinflusst von Johnny Cash, Einstürzenden Neubauten, Radiohead u. anderen. Der Ausdruck im Gesang aber dürfte nicht jedermanns Sache sein, zumal er oft im Vordergrund steht.
Das ganze Instrumentarium, von Gitarren (auch elektrischen und Slide), Keyboard Bass, Schlagzeug bedient der Multiinstrumentalist professionell.
Mit 44 Minuten ist die Kapazität einer CD jedoch nicht ganz ausgereizt.
Timezone Records LC12791
v-zero
Liedermacher
Verlagstext
Der Titel ist der Ausdruck einer sehr freakigen Herangehensweise, musikalisch sowie auch textlich und überhaupt. Nicht umsonst heißt der Opener des Albums Freaky Freak. Die Musik ist absolut eigenständig, einmalig, ehrlich und authentisch. Schüller ist der Suche nach seinem eigenen Sound einen großen Schritt näher gekommen.
In den Texten erfolgt eine Aneinanderreihung seltsam- komischer Figuren, geprägt von der Grundannahme, dass es eigentlich nichts anderes als Freaks gibt. Die einen wissen das, die anderen ahnen es und wollen es verbergen. Andererseits deutet der Titel auf eine Hinwendung zum Zarten, zur Zärtlichkeit, zum allerkleinsten Detail, zum Gefühl und zur Liebe.
Aber warum dann eine Libelle? Das ist doch ein Raubtier. Weil das dezente Stampfen eines pflanzenfressenden Nashorns ziemlich blöde klingt. Die Lieder sind beeinflusst vom amerikanischen Songwriting zwischen Folk und Rock ’n‘ Roll. Schüller hat das Album komplett alleine eingespielt. Bei den meisten Songs ist das Akustik-Gitarren-Fingerstyle-Picking die Basis. Hinzu kommen eine wabernde Space-Orgel, verhallte Slide Gitarren, die twangende Tele, ein satter Bass und ein diesmal eher percussives Schlagzeug. Über allem hat Schüller einen Weg gefunden, seinen satten Bariton angemessen zu kultivieren.
Inspirationsquellen sind Robert Johnson, Radiohead, die Einstürzenden Neubauten, Jack White, Johnny Cash und Nick Cave. Dabei kopiert Schüller nicht einfach, ist vielmehr auf der Suche nach dem Besonderen, seinem ureigenen Klang.
Textlich gibt es ungewöhnliche Geschichten und rauschhafte Bilder. Hier erfolgt ein Sammelsurium illustrer Charaktere: der ekstatische Bügelfetischist und die in der Arktis White Christmas spielende Band (Freaky Freak), der King Of The Delta Blues im Handel mit dem Teufel (oder war er einfach Rattenscharf), die schrägen Gestalten im abgeranzten HoodooVoodoo Hotel in New Orleans (Room For Free), ein völlig losgelöster Tänzer spielt mit dem Feuer (bis du nicht mehr kannst Tanz), der Wanderer auf der Klippe zwischen Dada und Demenz (A Taturanta Tomba), die unsterblichen Vampire (Only Lovers), die kranke Welt hat hohes Fieber, die berauschten Freunde können nicht ewig fliegen und das Nichtstun in den rosa Wolken ist süß.
Das alles ist beeinflusst von Büchern (Clemens J. Setz, T.C. Boyle, Paul Auster, Arno Schmidt, Christian Kracht u.v.m.), Filmen (Jim Jarmusch: Only Lovers Left Alive und Julian Rosefeldt: Euphoria) und irgendwie auch dem eigenen Leben.
Schüller hat die Songs in Louisiana, in Wales, in Österreich, im Saarland und am Niederrhein geschrieben. Nenne es hintergründige Melancholie!

Review: Michael Segets
Auf der Website von Mathias Schüller steht geschrieben, dass er auf der „Suche nach dem Besonderen, seinem ureigenen Klang“ sei. Ich kenne zwar nur die letzten drei seiner nunmehr fünf Alben, würde aber behaupten, dass Schüller seinen markanten, unverwechselbaren Sound längst gefunden hat: „Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle“ knüpft nahtlos an „Wodka Wodka Superstar“ (2020) und „Dunkel:Rot“ (2023) an. Aber ein Künstler spürt wahrscheinlich immer dem nächsten, perfekten Ausdruck nach.
Auf dem aktuellen Longplayer fährt Schüller die rockigen Anteile, die allerdings bei „Reichtum & Ruhm“ nochmal anklingen, etwas zurück. „Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle“ bietet durchgängig anspruchsvolle Singer/Songwriter-Kost mit variablen Rhythmen. Multiinstrumentalist Schüller komponierte, textete und spielte alle zehn Songs alleine ein. Für die Tontechnik zeichnet Markus Holzapfel verantwortlich. Das Booklet des schön aufgemachten Digipacks umfasst die Texte und ergänzende Angaben zur Entstehung der Stücke sowie den jeweiligen Inspirationsquellen.
Dass Schüller diese Hinweise gibt, ist sinnvoll, da sie zum verstehen seiner Lyrics beitragen. Die ohnehin anspruchsvollen Texte sind nach meinem Eindruck diesmal noch einen Deut schwieriger ausgefallen als auf den vorherigen Alben. So ist es bei „Only Lovers“ sicherlich hilfreich, den Film von Jim Jarmusch „Only Lovers Left Alive“ (2013) zu kennen, um die angestellten Bezüge einordnen zu können. Autoren der literarischen Hochkultur wie T.C. Boyle („Freaky Freak“, „Süßes Nichtstun Rosa Wolken“) oder Arno Schmitt („Reichtum & Ruhm“) zieht Schüller als Referenzen heran. Dabei nennt er auch „Das Treibhaus“ von Wolfgang Koeppen. Zu dem Werk belegte ich vor Jahrzehnten mal ein Seminar, welches ich – soweit ich mich erinnere – nicht durchzog.
Anregungen für seine Werke schöpft Schüller aus einer breiten Palette von Bands und Musikern unter anderem von 10CC, Johnny Cash, Bing Crosby, Einstürzende Neubauten, Foreigner, Steve Miller, Pink Floyd, Queen, Radiohead, Bruce Springsteen und Jack White. Die Verbindungen spiegeln sich eher auf der inhaltlichen Ebene seiner Songs als in seinen Kompositionen wider. Die Tracks wimmeln von Anspielungen. Diese zu erkennen ist nicht immer ganz leicht und gelingt wohl am ehesten, wenn man eine ähnliche Sozialisation wie Schüller durchlaufen hat. Die Bezüge aufzuspüren macht zwar Spaß, gelegentlich verstellt jedoch eine gewisse poetische Sprunghaftigkeit den Blick auf die Stories oder die Situationen, um die es in den Liedern geht.
Klar ist die Aufforderung bei „Tanz“, der ersten Single und sicherlich einem der eingängigsten Stücke auf dem Album. In dem Video scheinen erfrischende, selbstironische Züge durch. Die silberne Hose von Schüller ist freaky. Es überrascht mich dabei weniger, dass er anlässlich der Nummer eine solche trägt, sondern eher, dass er überhaupt eine solche besitzt.
Mathias Schüller bewegt sich mit seinem Songwriting weiterhin abseits des Mainstreams. Die Komplexität der Texte, die Schüller mit zahlreichen Querverweisen zu Film, Literatur und Musik spickt, stellt die Hörenden zum Teil vor intellektuelle Herausforderungen. Musikalisch bleibt er auf „Das zarte Geräusch des Flügelschlages einer Libelle“ seiner Linie und dem ihm eigenen Sound treu.
Bis Anfang Oktober tourt Schüller mit zahlreichen Konzerten durch Deutschland.
Timezone Records (2025)
Stil: Singer/Songwriter/
Tracks:
01. Freaky Freak
02. Rattenscharf
03. Room For Free
04. Tanz
05. A Taturanta Tomba (Für Immer Heinz)
06. Only Lovers
07. Fieber
08. Reichtum & Ruhm
09. Fliegen
10. Süßes Nichtstun Rosa Wolken
Mathias Schüller
Mathias Schüller bei Facebook
Timezone Records