The Story behind the Song: Fields of Athenry
von Almut Kückelhaus
Hintergrund: Von Null auf Kult in wenigen Jahren: kaum ein anderes irisches Lied hat eine solche Karriere gemacht. 1979 von Pete St.John geschrieben, haben es nach dessen Aussage (2006) 520 andere Künstler aufgenommen. Die Zahl der verkauften Singles wird auf 5 Mio. geschätzt. In der gleichen Liga spielen La Paloma oder Lili Marleen. Der Verfasser hat mit seiner Geschichte offenbar einen Nerv getroffen, und das nicht nur unter den Menschen, die sich überall in der englischsprachigen Welt auf irische Vorfahren berufen.
Verfasser: Pete St. John wurde als Peter Mooney in Dublin geboren. Er machte eine Ausbildung als Elektriker und emigrierte dann nach Kanada. Weitere Stationen waren Alaska, Mittelamerika und die Karibik. Sein Geld verdiente er als Profisportler, LKW-Fahrer oder Holzarbeiter, bevor er Vizechef eines Elektrounternehmens wurde und dann in die PR-Branche wechselte. Als er Ende der 1970er nach Dublin zurückkehrte, war er den mit starken Veränderungen dort konfrontiert. Dies gab ihm den Anstoß Lieder zu machen.
Zur Entstehung von Fields of Athenry hat sich St.John gegenüber Journalisten und auf seiner Homepage geäußert: “Es ist ein Song über die Kartoffel-Hungersnot in Irland, so einfach ist das. Ich war nach Galway gefahren, um einige gälische Texte darüber zu lesen, wie das Leben in diesen fürchterlichen Zeiten war. Die Leute hungerten und Korn war aus Amerika importiert worden, um ihnen zu helfen. Aber die Schale war so hart, dass irische Mühlen sie nicht mahlen konnten. Also lag es nutzlos in Lagerhäusern bei den Docks in Dublin. Aber niemand vertraute darauf, dass die Behörden. die Krone, der Bevölkerung die Wahrheit sagen würden. Also marschierten hunderte der hungernden Iren in die Stadt um das Getreide zu kriegen. einige wurden festgenommen und in Gefängnisschiffen nach Australien deportiert. Ich schrieb darüber eine Ballade und erfand Michael, Mary und ein Baby, eine Familie, die zerrissen wurde , weil ein Ehemann Korn stahl, um seine Familie zu ernähren. Die ganzen Informationen kamen aus Galway so siedelte ich die Geschichte in Athenry an, einem kleinen Dorf dort, wo die Kartoffelfelder leer waren.“
Der im Lied genannte Vertreter der Krone hieß Lord Trevelyan. Er war für das Management der Hungerhilfe zuständig.
Geschichte: Ab 1845 wurden die Kartoffeln in Westeuropa von einer aus Amerika eingeschleppten Pilzkrankheit verfallen, die sie verfaulen ließ. Irland war besonders schlimm betroffen, da die Knolle das alternativlose Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung darstellte. Rund eine Million Menschen verhungerten oder starben stark geschwächt an Krankheiten. Da sie die Pacht nicht mehr zahlen konnten, wurden viele Pächter von ihrem Land verjagt und wanderten aus. Dass das Hungerproblem sich anders als in den Nachbarländern zu einer Katastrophe auswuchs, ist mit den kolonialen Ausbeutungs-und Unterdrückungsverhältnissen zu erklären. Auch während der Hungerjahre wurden Getreide und andere Agrarprodukte ins britische Mutterland exportiert. Aus politischen Gründen unterblieb eine durchgreifende Hilfe des britischen Staates, die über Suppenküchen und Arbeitshäuser hinausgegangen wäre. Irland verlor ein Viertel seiner Einwohner. Es ist das einzige Land Westeuropas, dessen Bevölkerungszahl heute deutlich unter der von 1840 liegt
„The Great Famine“ ist als traumatisches Ereignis noch sehr in der Erinnerung der Nachkommen präsent.
Text: 1.) By a lonely prison wall I heard a young girl calling Micheal, they are taking you away For you stole Trevelyn’s corn So the young might see the morn. Now a prison ship lies waiting in the bay.
Chorus: Low lie the Fields of Athenry Where once we watched the small free birds fly. Our love was on the wing we had dreams and songs to sing It’s so lonely ’round the Fields of Athenry.
2.) By a lonely prison wall I heard a young man calling Nothing matters Mary when your free, Against the Famine and the Crown I rebelled they ran me down Now you must raise our child with dignity.
3) By a lonely harbour wall She watched the last star falling As that prison ship sailed out against the sky Sure she’ll wait and hope and pray For her love in Botany Bay It’s so lonely ’round the Fields of Athenry.
(nach der Homepage von Pete St.John, „Micheal“ ist die gälische Schreibweise) Der Beginn, wo der Sänger die Klage eines Gefangenen oder eines schönen Mädchens „rein zufällig“ anhört, ist in Volksliedern verbreitet (P Stands for Paddy, Old Triangle). Der Stern in der letzten Strophe bezieht sich vermutlich auf das Star/Sternsegel oben am Mast eines Großseglers. Wenn die letzte Leinwand gefallen ist, kann das Schiff Fahrt aufnehmen. Kartoffeln kommen im ganzen Lied übrigens nicht vor.
Ausschlaggebend sind in der Wirkung weniger die Fakten als die Erzählung davon, die untrennbar mit einer Interpretation verbunden ist. Wer sich mit dem Helden des Songs identifiziert, sieht sich auf der guten Seite, als armes, aber aufrechtes Opfer, seit langem beliebtes irisches Selbst-Bild.
Eine Kritik an den politischen Verhältnissen lässt sich aus der 2. Strophe herauslesen. Michael erklärt, er habe gegen die Hungersnot und gegen die Krone gekämpft. Die Katastrophe schürte den Hass auf die Briten, führte zu neuen Aufständen und polarisiert teilweise bis heute.
Vereinnahmungen
Als echtes Volkslied entwickelte Fields of Athenry ein Eigenleben, ohne sich um die Intentionen seines Schöpfers zu kümmern. Die (irischstämmigen) Fans von Celtic Glasgow haben den Song adoptiert und provozieren damit die Glasgow Rangers- Anhänger. Pete St.John, wehrt sich gegen die politische Vereinnahmung, die er aber durch seine Behandlung des Themas nahegelegt hat:
„Der Song könnte von allen handeln: Schotten, Iren, Engländern. Es geht um arme, unschuldige Leute und wie sie zu Opfern von Naturkatastrophen werden. Es ist leicht zu erklären, warum es in Glasgow so populär ist: 1846, das Jahr in dem das Lied spielt, flohen über 150,000 irische Männer, Frauen und Kinder, in diese Stadt, wo viele großzügig behandelt wurden. Ich habe das Lied aber überall singen hören, von San Francisco bis Melbourne.“
Wie bei Living next door to Alice kann man noch eine Zeile dazwischen brüllen “Hey baby, let the free birds fly”. Armbewegungen nach Vogel-Art sind auch möglich. Wenn man’s mag…
In der republikanischen Version wird an den passenden Stellen „Sinn Fein“ und „IRA“ gerufen. Die protestantische Gegenseite hat es zu „Fields of Ballynafeigh“ umgedichtet, was aber recht holprig klingt. FC Liverpool-Fans singen ihren Text mit „Anfield Road“.
Musik und Aufnahmen: Langsam, eingängig, mitsingbar, effektvolle Wendungen zwischen Dur und Moll. Eine musikwissenschaftliche Analyse der Intervalle würde wohl eine Nähe zum Schlager ergeben. Die ersten Charterfolge damit hatten jedenfalls „Balladensänger“.
Pete St.John hat das Lied zunächst einem gewissen Danny Doyle gegeben, der es in Amerika zum Hit machte. Paddy Reilly sang es mit den Dubliners. Fields of Athenry hat eine eigene Seite in der englischen Wikipedia, wo Dutzende Aufnahmen von Folk über Reggae bis Punk verzeichnet sind. Die Celtic-Punk-Band Dropkick Murphys brachten 2003 gleich zwei Versionen heraus, dem weitere Bands folgten. So scheint Fields of Athenry vor dem endgültigen Versinken im Kitsch-Sumpf gerettet worden zu sein.
Foto: Kilmainham Jail, heute Museum, Dublin