TANZ WIE ICH ZUM TANZEN KAM
Wie ich zum Tanzen kam
Geschrieben von wv am 14. November 2020. Veröffentlicht in KULTUR
Wie ich zum Tanzen kam.
Einmal im Monat nach dem 2. Weltkrieg war mein Vater um Hamburg herum unterwegs mit seiner alten Wandergruppe. Meine Mutter und Onkels und Tanten waren auch dabei. Etwa 30 Leutchen, vom Arbeiter bis zu Akademikern, drunter auch Helmut Schmidts Vater Gustav. Zwischendurch wurde immer eingekehrt. Ich bekam einen Apfelsaft, Onkel Alwin Eindorf setzte sich ans Klavier, und es wurde gevolkstanzt. Das hieß bei uns gescherbelt. Lott is dot und andere plattdeutsche Tänze, auch mal ein Walzer oder ein Bunter. Dazu wurde meist gesungen. Auch beim Wandern. Die Wanderungen gingen bereits 1945 wieder los. Ich war Elf, das beste Alter, um beim Tanzen einzusteigen und mitzumachen. Das war lustig, auch wenn nur ein paar Kinder dabei waren. Aber bei den Alten war eine überschäumende Wandervogelfreude dabei. Gerade nach dem Krieg. Es war eine Aufbruchszeit. Alle warteten, dass wieder ein großer Wandervogelbund kommen würde.
Die alten Wandervögel waren vielfach im Volksheim für Arbeiterbildung aktiv gewesen. Ich hörte, dass es beim Volksheim in Fuhslbüttel einen Volkstanzkreis geben solle. Ich war 12 und lief die sechs Kilometer von Dehnhaide bis Fuhlsbüttel im Dauerlauf, lernte dort richtig tanzen einmal in der Woche bei Erna und Hans Lünzmann, alten Kommunisten, die ehrenamtlich mehrere Jugendgruppen leiteten. Da tanzten wir die ganzen Bunten., aber auch die Annenpolka, Ländler und vieles mehr. Ich lernte Anna Helms-Blasche kennen, die einen Abend für uns mit schwedischen Tänzen gestaltete. Es war Aufbruchsstimmung auch hier. Musikant war Richard am Bandoneon.
Dann lernte ich den Ring für Heimattanz kennen, tanzte bei den Pulmers, aber sie waren mir zu streng. Da wurde Volkstanz ritualisiert. Es wurde gearbeitet und nicht so viel gelacht, selbst beim offenen Tanzkreis Friedrich-Ebert-Damm jede Woche in der Nähe des S-Bahnhofs. Ich sparte mir eine Matrosenhose mit dem weiten Schlag und mit Klappe. Das fand ich zünftig. Ich hatte gerade die Fahrenden Gesellen kennen gelernt und engagierte mich dort intensiv, baute eine Horte auf, wir sangen viel. Aber Volkstanzen gab es hier noch nicht. Eine Gruppe eines Wandervogelbundes hatte ich noch nicht kennen gelernt und überlegte, wie ich Volkstanzen dort etablieren könnte.
Wir gründeten in der Schule Münzstraße am Hauptbahnhof zusammen mit dem Deutschen Wanderbund einen Volkstanzkreis. Die Geigen-Musik spielte eine alte Frau aus dem Wandervogel, die einen Webladen in der Langen Reihe hatte. Sie war nach wohl einem Jahr zu alt. Es gab keinen rechten Ersatz. Einem Akkordeonspieler waren die Tänze zu schwer. Er übte auch nicht richtig. Da hatten wir mit unserer Barmbeker Horte schon eine Turnhalle einmal wöchentlich zur Verfügung. Dort spielten wir Volleyball und immer mehr Jungs aus anderen Bünden kamen dazu. Da sprach ich Ernst Wolter als sehr guten Tanzmeister von dend Naturfreunden und Richard, den Bandoneonspielter an. Ich verlängerte unseren Abendtermin über den Hausmeister meines Gymnasiums und warb fürs Volkstanzen. Die Mädchen strömten in Scharen, und so waren wir bald an jedem Abend 30 – 40 Leutchen nach dem Volleyball und Duschen. Es wurde flott gevolkstanzt und gesungen. Einmal war durch die Familie Duensing Larry, der schwarze Tanzmeister aus den USA dabei und zeigte uns USA Mixer und Reihentänze. Das Tanzen machte uns einen rieisgen Spaß. Wir in der Horte fanden bald fast alle Freundinnen druch den Tanzkreis. Und es kammen Leutchen nicht nur aus unserem Bund, sondern vom Deutschen Wanderbund, von der fkk-jugend, vom Wandervogel DB, von der Gefährtenschaft, von den Unitariern, den Naturfreunden, bündische Hamburger Studenten und viele andere. Wir waren offen, frei und dynamisch. Manchmal hatten wir auch zentrales Treffen der 9 Hamburger FG-Horten. Und wir übten für die FG-Feste in Marxen, wovon ich noch einige Fotos habe. Manchmal fuhren wir auch mit mehreren raus nach Marxen und tanzten unter der Bahbrücke mit Batteriesplattenspieler nach den Singles von Walter Köhler Tänze im Scheinwerferlicht des VWs von Walter Rieckmann.
Später besuchte ich im Matthias-Claudius-Gymnasium Kurse für internationales Folkloretanzen bei Hilke Lange, Frau des damaligen Bezirksbürgermeisters in Hamburg-Wandsbek. Da lernte ich den Hashual, den Misirlou, den Zauberkeis, den Ma Nawu, besonders israelische Tänze, die durch Ela Klindt an der Uni gelehrt wurden.
Als ich das Kulturzentrum „Miteinander“ gründete, gab es viel Bedarf nach einem Tanzkursus. Da wir dafür noch keinen Raum hatten, mieteten wir uns gegenüber bei der Gemeinde ein, und ich leitete einen Gesellschaftstanzkursus. Da taten sich Paare schnell zusammen, und die anderen, die keinen Partner hatten, saßen auf der Schlingelbank und waren nicht besonders begeistert. Da brachte ich ein paar Mixer wie die Bauernpolka, den Zauberkeis, den Branle du Quercy ein, und im Nu war die Stimmung großartig. Bald mieteten wir die Turnhalle Rostocker Straße und einen Raum im Haus der Jugend St. Georg und tanzten. Die Räume quollen über. Ich war da schon Lehrer und wurde außerdem Referent bei der Volkshochschule und hatte einen 3. udn 4. Tanzkreis im Matthias-Claudius-Gymnasium. Heidi wurde dann meine Koreferentin. Sie lebte dann bald mit dem Leiter der Volkshochschule zusammen. Ich wurde meinen Referentenposten lols, denHeidi übernahm, behielt aber den Montagstanzkreis „Hamburger Volkstanzkreis“, der 20 Jahre bestand, von Astrid Kühnle und mir geleitet wurde und nun von Gerhard Corinth in der Altentagesstätte der AWO in Hamburg-Eilbek weiter geführt wird. Mittlerweile sind die TänzerInnen zwischen 70 und 90.
Als ich 1994 nach Lüttenmark in Mecklenburg zog, fehlte mir das Tanzen. Ich fuhr noch zwei Jahre montags nach Hamburg, um den Tanzkreis zu leiten. Dann gab ich ihn an Astrid und Gerhard ab. 2000 gründete ich dann zusammen mit Ingrid Krüger die Rabentänzer im Wandervogel e. V. die es bis heute gibt. Wir haben ein paar Jüngere dabei, nehmen an den Wandervogelfesten teil und tanzen dort, meist mit Annette van den Steen und Huub de Jong aus den Niederlanden und mit Marianne Lange auch Neckargemünd. Die Schwarzenbeker Tänzer sind oft bei unseren drei Bundestreffen und Jahresfest dabei. Und wenn wir Feste haben, spielen die Elbraben als Mitmachtanzband, die eine offene Struktur haben und sich laufend verjüngen.Die Elbraben sind auch im Miteinander in Hamburg-St.Georg entstanden und spielten zuerst für den Miteinandertanzkreis, um dann später Schallplatten und CDs zu bespielen und viele Auftritte in Deutschland und Europa zu haben.
Unsere Bigband-Notnmappe, unser Greifenliederheft und unsere große Tanzkartei und Tonträgersammlung haben uns sehr geholfen. Heute lernen wir viele Tänze über Video, besonders aber von unseren Freunden und großartigen Referenten. hedo